Macher und Denker

von Dirk Ryssel

Eine Freundin meiner Frau teilt die Welt in Macher und Denker ein. Wobei sie von den Machern immer mit einer gewissen Bewunderung schwärmt, insb. wenn sie von den Freunden ihres Mannes redet. Über Denker sagt sie… nichts.

Ich liege gerade im Bett und denke darüber nach, welcher Typ ich bin. Es ist 7.35 Uhr, und im Radio machen die beiden aufgeweckten Moderatoren mit ADH-Syndrom gerade ein Quiz-Spiel über einen Extrem-Skifahrer anlässlich seines heutigen Geburtstages. Der Hörer, den sie in der Leitung haben, kann tatsächlich alle Sportdisziplinen des Skifahrers aufzählen und gewinnt. Eindeutig ein Macher; ich kannte noch nicht einmal den Namen des Sportlers.

Ich frage mich gerade, ob die Freundin meiner Frau vor allem deshalb so von Machern schwärmt, weil sie sich im Unterbewusstsein vorstellt, wie diese es ihr so richtig machen. Gedanken dieser Art sind meiner Morgenlatte verschuldet, die ich in meinem fortgeschritten Alter nur noch habe, wenn ich auf die Toilette muss. Endlich bin ich auch ein Macher, wenn auch sitzend…

Nach dem Frühstück will ich es genau wissen und beginne den Ausdruck „Macher“ zu googeln. Bei Openthesaurus finde ich: Mann der Tat, immer am Ball sein, Aktivling, nicht viele Worte machen, der Nimmermüde…

Ich überlege: „Mann der Tat“ – eigentlich tue ich doch immer etwas, sei es rasieren, duschen,  Kaffee machen und trinken, lesen, schreiben… „Immer am Ball sein“: Ich denke über meine Kindheitserfahrungen nach, als ich beim Fußball immer schnell vom Ball wegrannte, um ihn bloß nicht zu bekommen und dabei womöglich in die falsche Richtung zu schießen – oder gar darüber zu stolpern und auf die Fresse zu fliegen… alles passiert. „Aktivling“: Ich denke an die beiden Moderatoren mit dem Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivitätssyndrom; die beiden sind ganz klar Macher. Allerdings: „nicht viele Worte machen“, DAS trifft nun gerade nicht auf die beiden Quasselstrippen zu.

„Der Nimmermüde“: Also ich kann noch so viel Kaffee in mich hineinschütten, ich werde ewig der IMMERmüde bleiben. Schluck, ich bin also KEIN Macher. Ich google noch einmal, weil ich der offensichtlichen Tatsache nicht ins Auge sehen will und stoße in der fünften Zeile auf eine Werbung der Baumarkt-Kette „Hornbach“, die tatsächlich macher.hornbach.de heißt. Jetzt ist es raus: Ich bin wirklich KEIN Macher. Ich hasse jegliches Heimwerkern, weil nie etwas so funktioniert, wie ich es mir vorher ausgedacht habe.

Während es für den wahren Macher nichts Schöneres gibt, als den ganzen Samstagvor- und -nachmittag in den heiligen Hallen des Bauzubehörs zu verbringen, schieben meine Frau und ich einen notwendigen Besuch im Baumarkt seit Wochen vor uns her: Falls Sie jetzt meinen, mich hätte endlich der männliche Selbstverwirklichungstrieb erfasst, liegen Sie voll daneben. Ehrlich gesagt benötigen wir nur eine Art Mörtel für ein Mosaik aus Kachelbruchstücken,  die wir im Urlaub am Strand von Sizilien gesammelt haben.  Was würde die Freundin meiner Frau wohl dazu sagen?

Letzte Woche erwischte es mich dann doch mal: Ich musste den neuen Router für unsere Telefonanlage zu anbringen. Die Männer der Freundinnen meiner Frau machen so etwas gerne: Sie studieren mit höchstem Interesse die Betriebsanleitung, freuen sich darüber, was die neue Technik so alles leistet, bringen Stunden voller lustvoller Erwartung dafür auf, jegliche Funktionen des neuen Geräts zu verinnerlichen, um diese bei passender (oder nicht passender) Gelegenheit sämtlichen Freunden (mich eingeschlossen) vorzuführen.

Sie sind eben Macher! Ich bin eindeutig keiner. Meinetwegen könnte ich mein Leben lang dieselbe Telefonanlage benutzen – Hauptsache, das Mistding funktioniert vom ersten bis zum Sanktnimmerleinstag gleichbleibend. Oder läuft sich nach ein paar Jahren erst richtig warm und wird dann immer besser.

Die meisten Männer verdübeln sogar solche Anlagen in der Wand. Suchen den passenden Platz dafür, messen aus, zeichnen an, bohren, schrauben und justieren. Ich bin nicht so ein Mann, sondern versuche bloß, das Zeug hinter irgendeinem Schrank zu deponieren, wo ich es die nächsten Jahre möglichst nicht sehen muss – zwischen den Kabelbergen, die sich dahinter auftürmen, weil mir der Aufwand, die alten Kabel aus dem Salat rauszufriemeln, bevor ich die neuen anschließe, eindeutig zu groß ist.

Als ich nun ausnahmsweise voller Tatendrang  versuche, das DSL-Kabel auszuwechseln, muss ich feststellen, dass sich die vermaledeite Fußleiste nicht ablösen lässt. Offenbar hilft da nur rohe Gewalt: Mithilfe eines großen Schraubenziehers wuchte ich zögerlich die Holzverkleidung heraus, und dann passiert, was passieren muss: Ich rutsche ab und ramme mir stattdessen einen Holzsplitter tief in das Nagelbett meines Daumens – das zum Thema Heimwerkern.

Ein paar Abende später, der Daumen ist halbwegs verheilt, sehe ich mit meiner Frau im Fernsehen „Fifty Shades of Grey“. Inspiriert davon bringe ich nach dem Zähneputzen die Gürtel unserer Bademäntel mit ins Schlafzimmer, um vielleicht ein paar Szenen nachzuspielen. Meine Frau mustert mich schmunzelnd von oben bis unten. Ich vernehme einen Hauch von Mitleid in ihrem Gesicht: „Nee, du“ sagt sie, „lass mich das mal machen“ und beginnt stattdessen, MICH ans Bett zu fesseln.