Kann mir eigentlich irgendjemand den Sinn von Haarausfall erklären? Wozu gibt es Haarausfall? Was hat sich die Natur, der liebe Gott oder wen auch immer wir dafür verantwortlich machen wollen, dabei gedacht? Wachsen durch die ausfallenden Haare wieder neue Haarbäume, an denen sich junge Leute bedienen können, um ihre Haarpracht zum Erleuchten und damit das Weibchen oder Männchen in Verzückung zu bringen? Oder wandelt sich das verwesende Kopfhorn wenigstens in wertvollen Humus, aus dem neue fruchtbare Fauna und Flora erwächst?
Nein, leider nichts von alledem. Haare gehören wegen ihrer chemischen Belastung durch tönen, waschen und koksen in den Restmüll und haben im Bioabfall nichts zu suchen. Es gibt spezielle Müllentsorgungsfirmen, die sich um die Haare in Friseurabfällen kümmern. Haare belasten einfach nur das gesamte Recyclingsystem; sie verwesen extrem langsam: Man hat in Ägypten Skelette mit vollem Haarschopf gefunden. Ebenso in alten Wikinger-Gräbern. Gäbe es nicht die ungeliebten Silberfische und ähnlich unappetitliches Kerbtier, würden wir sicher von Gebirgen aus menschlichem Haar erdrückt werden. Vielleicht haben die Menschen schon deshalb zukunftsweisend die Feuerbestattung erfunden.
Ich meine, es ist klar: Haare sind ein Fruchtbarkeitsmerkmal! So wie die bunten Federn bei Vögeln, weist unsere Haarpracht darauf hin, dass man Selbiges mit uns gut kann…
Das Haar dient bei Männlein und Weiblein der Attraktivität und somit der Fortpflanzung! Aber warum muss es einem dann bereits mit bzw. nach 30 Jahren ausfallen? Bin ich plötzlich nicht mehr fortpflanzungsfähig? Habe ich den Zeitpunkt der Reproduzierbarkeit meiner Erbfolge verpasst? Muss die Natur (und Gesellschaft) unbedingt mit dem Finger auf mich zeigen und mir sagen: Du bist alt, scher‘ dich fort, dein Samen ist nicht mehr wertvoll?
Aber warum bekommen dann nur wir Männer eine Glatze? Tickt in uns die biologische Uhr? Und wieso fallen nicht allen Männern die Haare aus? Wo bleibt die Gerechtigkeit? Wenn es wenigstens nur die treffen würde, die ihren gesellschaftlichen, von Natur und Gott gegebenen Auftrag der Bestäubung und Mehrung nicht erfüllt haben, so gäbe es noch ein Hauch von Fairness.
Haarausfall sieht nun mal erwiesenermaßen scheiße aus! Beim einen wird das Gesicht immer größer, der andere sieht mit seiner Tonsur aus, als sei er widerwillig dem Kloster beigetreten. Der eine greift zum Rasierer und wirkt dann wie ein Sturmmann der SA, der andere, versucht den immer größer werdenden Fliegenlandeplatz durch Verlegung seines Scheitels zu kaschieren. Ich selbst konnte mich ob des Umfangs meines Globus‘ noch nicht zum Kahlschlag durchringen, weshalb mich mein Friseur, der mir dir Tolle geschickt über das von ihm so getaufte „Death Valley“ drapiert, neuerdings mit Donald anspricht – keine Sorge: Blond werde ich meine Haare sicher nicht färben.
Ist Ihnen mal aufgefallen, dass komischerweise attraktive Männer ihr Haar behalten? Jude Law mal ausgenommen… Oder sind die Männer vielleicht wegen ihrer wallenden, mit Haarpflegemitteln aufgepeppten Mähne so attraktiv?
Wie dem auch sei: Hier liegt ein klarer Fehler in der Natur vor! Lieber Gott, du hast hier geschlampt! Oder ist das deine symbolische Strafe, weil unsere Vorfahren so geil auf den blanken Apfel waren? Wozu soll denn eine Glatze gut sein, außer für die Erfindung der Glanzpolitur? Man friert dadurch im Winter erheblich mehr, und im Sommer holt man sich einen Sonnenbrand. Für Cabrio-Fahrer ist die Glatze deshalb tabu.
Früher gab es wenigstens die Hutmode, unter der man die Mondlandschaft elegant verstecken konnte. Heute tragen nur noch 30-jährige Hipster einen Szene-Hut: Dieser Hut ist dann Ausdruck eines szenischen Bewusstseins, einer Coolness alles und jedem gegenüber. Und dann gibt es natürlich noch die Wollmützen, die nicht nur kratzen wie ein Sack voller Flöhe, sondern auch nicht jahreszeitenkompatibel sind. Oder eben das Basecap, mit dem man sich, wenn man über 30 ist und außerhalb der USA sein Leben meistert, eher unfreiwilliger Komik aussetzt.
Leider gibt es neben hunderten von Scharlatan-Produkten eigentlich nur die rezeptpflichtige rosa Pille, die zwar das Waldsterben auf dem Kopf verlangsamt und für eine partielle Renaturierung sorgt, gleichzeitig aber den Fortpflanzungstrakt im Tiefgeschoss auf das Niveau eines 80-jährigen Frührentners reduziert.
Man kann sich also entscheiden zwischen nach Fruchtbarkeit aussehen oder fruchtbar sein. Beides zusammen gibt es nur mit sehr viel Geld – der äußerliche Verfall ist auch immer Zeugnis deiner Finanzkraft: Die Schönheitschirurgie macht alles möglich für Schauspieler, Politiker, Fußballspieler und sonstige Würdenträger mit wichtiger gesellschaftlicher Funktion und Verantwortung.
Diese Kolumne soll deshalb auch gleichzeitig ein Aufruf zum Crowd- bzw. Kraut-Funding für meine geplante Haartransplantation sein: Damit auf meinem Kopf endlich wieder etwas mehr Kraut wächst… ha, ha…
Zahlungen bitte nur in größeren Beträgen, entweder per Paypal oder Überweisung. Spendenquittungen können Sie sich gerne an die Glatze nageln.