Frauenquote

von Dirk Ryssel

Dank der Me-Too-Debatte und der mit ihr eng verwobenen Filmbranche wird nun endlich Tabula rasa gemacht. Rechtzeitig haben wir bei uns einen vermeintlichen Filmmogul gefunden, der ebenfalls so einige Leichen in seinem Casting-Keller zu haben scheint. Er macht zwar nicht annähernd so gute Filme wie sein unfreiwilliges Alter Ego aus Kalifornien, aber Hauptsache die deutsche Filmbranche kann sich in irgendeiner Hinsicht mit Hollywood vergleichen. Woraus zu schließen ist: Die ganze Produzenten-Mischpoke ist doch weltweit vom gleichen Schlag! Sie haben ihren Beruf nur gewählt, einzig und allein, um kleine, talentierte KünstlerInnen ins Bett zu kriegen. So sind wir Männer nun mal – allesamt Schweine! Das haben einst schon „Die Ärzte“ gesungen und sich später darüber geärgert, dass ausgerechnet dieser Song zur Ballermann-Hymne wurde.

Zwar ist in Sachen Dieter Wedel noch nichts bewiesen – ähnlich wie seinerzeit bei Herrn Kachelmann –, auch ist nicht bekannt, ob es vergleichbare weitere Fälle in Deutschland gibt oder jemals geben wird, aber schon jetzt steht fest: So kann es nicht weitergehen! Männer dürfen nicht so viel Macht und Einfluss bekommen, die Frauenquote muss her! Vor allem in der Filmbranche. Weniger im Bereich Beleuchtung und Bühnentechnik, sondern eher im kreativen Bereich, wie die von mir sehr geschätzte Schauspielerin Jasmin Tabatabai gestern im Radio vorgeschlagen hat. Sie forderte, dass bereits in den Drehbüchern mehr Geschichten über und Rollen für Frauen geschrieben werden. Auftragsarbeiten anstatt intrinsische Motivation und kreative Entfaltung.

Ich finde das super! Ganz im Ernst! Endlich vorbei mit dem ganzen Superhelden-Rettet-Die-Welt-Schrott aus dem Marvel-Imperium, mehr Raum für die weiblichen Protagonistinnen an der Seite der aufgepumpten Hulks, Iron- und Batmans. Ich freue mich darauf, wenn ich nicht mehr sehen muss, wie der kraftstrotzende Chris Hemsworth seinen Phallus-Hammer schwingt, sondern endlich die zarte Nathalie Portman, die sich vor Sorgen um ihren leichtsinnigen Schattenkrieger durch den gesamten Film heult, erneut bewundern darf. Oder vielleicht macht sie dann wieder ein paar schöne Filme wie früher. Und ohne Frage ist die Story um Pepper Potts, die ihren Peter-Pan-Helden ständig mit irgendwelchen Testosteron-Schurken teilen muss, die spannendere Perspektive in Iron Man 1-3. Kopfzerbrechen bereitet mir nur die weibliche Hulk-Version, wenn der Heldin bei der Verwandlung zum grünen Monster das Hemd platzt: Dann schreien vermutlich weltweit alle Sexismus-WächterInnen gleichzeitig auf.

Ich stelle mir gerade vor, was das auf dem deutschen Kino- und Fernsehmarkt für viel versprechende Folgen haben wird: Christine Neubauer kann endlich ihr wohl verdientes Comeback mit weiteren Liebes- und Heimatschnulzen feiern. Statt dem zerknitterten Til Schweiger mit der Pump Gun wird in Zukunft wieder Katja Riemann mit den bösen Jungs aus dem Migranten-Milieu diskutieren und streiten. Die oben genannte Jasmin Tabatabai kann als taffe Lehrerin den Schülerinnen beibringen, dass „Fack ju, Anna Sägers“ nicht nur falsch geschrieben, sondern auch antisemitisch ist. Anke Engelke wird die Winnetou-Lovestory von Nscho-tschi und Ribanna persiflieren und Karoline Herfurth, Diana Amft und Felicitas Woll drehen endlich die dritte Fortsetzung von „Mädchen, Mädchen“, die dann passenderweise „Frauen, Frauen“ heißen wird. Im Fernsehen sieht man statt des ständig schlecht gelaunten Heino Ferch die charismatische Veronica Ferres als Kommissarin Ricarda Brock und anstelle der zigsten Wiederholung von „Der Bulle von Tölz“ kommt endlich „Die Kuh aus der Pfalz“, gespielt von …äh, lassen wir das.

Nein, ganz im Ernst: Die Freiheit der Kunst wird überbewertet. Filmhistoriker und selbst viele Filmemacher sind sich einig, dass Hollywood zu Zeiten des Hays Code, jenem Richtlinien-Katalog, der eine Vielzahl freizügiger Darstellungsformen verbat, die besten Filme gemacht hat. Wieso sollte es daher für Matthias Schweighöfer ein Problem sein, Filme wie „What a Man“ in „What a Woman“ umzuschreiben oder „Vaterfreuden“ in „Mutterfreuden“. Und sicher dürfte Simon Verhoeven angesichts seiner vorbildhaften Mutter auch keine großen Schwierigkeiten haben, mit „Frauenherzen 1+2“ die Perspektive der fünf Protagonistinnen des Klopp-Aerobic-Studios zu erzählen.

Aber allen Unken- und Buhrufen zum Trotz: Wer, wenn nicht wir Deutschen haben eine lange historische Tradition mit der Organisation und Reglementierung von Kunst und Unterhaltung durch die Staatsorgane? Mit spezifischen Vorgaben an Schreiberlinge, Maler, Journalisten und Musiker, die die gefälligst die politische Doktrin und nicht ihre eigenen Ideen realisieren soll(t)en. Wäre ja noch schöner, wenn man hier einfach nach seinem künstlerischen Empfinden oder dramaturgischem Verständnis werken könnte. Die, die damit nicht einverstanden sind, sollen halt abhauen, oder sie bekommen Berufsverbot.

Schließlich gehören unsere heutigen Kino- und TV-Filme sowie Serien dank einer Vielzahl solcher vermeintlich relevanten Vorgaben zu den größten Meilensteinen der Filmgeschichte. Wir inspirieren weltweit Regisseure und Autoren und sind regelmäßig auf den Top-Ten der besten Filme aller Zeiten wiederzufinden. Dabei wird vergessen, dass es eigentlich nur gute oder schlecht erzählte Geschichten gibt – unabhängig davon, wie viele Frauen, Männer, Kinder, Hunde, Katzen oder Kanarienvögel darin repräsentiert werden. Also: Weiter so mit solchen Ideen!