Frauen um die 40

von Dirk Ryssel

Die meisten Männer meinen, es sei damit getan, wenn sie ihrer Angebeteten einen prunkvollen Ring schenken, sie als Braut zum Altar führen und sie über die Schwelle hieven. Danach gehen sie davon aus, die nächsten 40 bis 50 Jahre von ihr bekocht zu werden, die Wäsche gewaschen zu bekommen und einen Freifahrtschein für die regelmäßige Begattung erworben zu haben. Aber während sie sich anfangs vielleicht noch Mühe mit dem Vorgeplänkel geben, rutschen sie ein paar Jahre später nur noch beiläufig über ihre Alte. Und das auch nur, wenn nicht gerade WM, EM oder die Champions League die abendliche Dispo bestimmen. Fürs Alltagsgeschäft ist Youporn die einfachere und vor allem ständig verfügbare Alternative: mit stündlich aufgefülltem Frischfleisch statt dem altbewährtem Eintopf, den man seit Jahren vorgesetzt bekommt.

Blumen werden gerade mal zum Geburtstag gekauft, denn der Muttertag ist für die Erzeugerin da und der Valentinstag nur eine kommerzielle Erfindung der Floristen-Lobby. Schließlich war Mann ja schon immer ein Konsumfeind, solange es nicht um die Anschaffung eines neuen TV-Geräts und sämtlicher Sky-Sender geht, und am Weltfrauentag wäre es sexistisch, sein emanzipiertes Weib mit Unkraut zu beglückwünschen. Spätestens wenn die Kinder auf der Welt sind, braucht er  ihr auch nichts mehr zu Weihnachten zu schenken, denn das ist ja das Fest der Kinder; ein Adventskalender für die Werteste findet Mann ohnehin infantil.

So geht der Alltag die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre weiter, bis Frau irgendwann die magische Altersmarke des vierten Jahrzehnts überschreitet, die bequeme Haushose in den Schrank hängt, die alten Röcke wieder hervorkramt oder gleich neue bei Zalando bestellt und den Mann zu animieren versucht, endlich mal wieder etwas zu zweit zu unternehmen. In der Regel rafft der Unterhosen-Django noch immer nichts, sondern krault sich nur mit großen Fragenzeichen das weiter unten liegende Gemächt: „Aber es kommt doch gerade die 17. Staffel von The Stalking Mad“? Und er merkt auch nicht, dass seine Olle ob des abwechslungsreichen Samstagabend-Programms neben ihm schlaftrunken zu sägen beginnt.

Da sich für ihn das „Etwas-zu-zweit-unternehmen“ auf das gemeinsame Abhängen auf der ebenso in die Jahre gekommenen Wohnlandschaft reduziert, wagt die frustrierte Ehefrau den vorzeitigen Absprung mit dem Wunsch „endlich mal etwas nur für sich zu tun“: Während Fotografie-, Chor- oder Töpferkurs noch den Anfang des ehelichen Freigangs markieren, sollten spätestens bei der Anmeldung zum argentinischen Tangoseminar der Couch-Potato eigentlich die Keime abfallen. Welche untervögelte Fortysomething bekommt angesichts eines heißblütigen Latino-Tanzlehrers mit Waschbrettbauch und  wallendem Unterleib kein Prickeln im Lendenzirkel? Doch selbst der Tantra-Selbsterfahrungs-Workshop, bei dem die Prä-Menopausierende ihren Körper neu entdecken will, lässt die Prostata des Vorruheständlers nicht vibrieren: „Sollse sich doch austoben! Ick verpass doch deswegen nicht die Sportschau!“

Was bei Männern die Krise mit 50 ist, scheint bei Frauen die zweite Pubertät mit 40 zu sein: Doch anstatt das minderwertige Ego mit teuren Accessoires aufzupolieren, sucht die „sich immer noch jungfühlende Vierzigjährige“ vor allem die körperliche Erfahrung und Herausforderung. Plötzlich fallen ihr all jene Aktivitäten ein, die sie schon immer mal machen wollte, sich aber bislang niemals traute: Klettern, wandern, tanzen oder Yoga.  Vor allem Letzteres findet insb. wegen seiner spirituellen Verankerung großen Zulauf, um die esoterischen Bedürfnisse der Neufeministin zu befriedigen. Vermutlich ist es die hormonelle Veränderung und / oder die Panik vor der näher kommenden Unfruchtbarkeit, die sie ihren Frondienst gegenüber der Familie hinterfragen lassen und eine ähnliche Unruhe aufkommen lassen wie die biologische Uhr bei 30-jährigen Singlefrauen. Wenn ich noch einmal etwas reißen will, dann mit Anfang 40! Schließlich können sich jenseits der Fünfzig nur reiche Frauen einen jugendlichen Lover leisten.

Reformierte Frauenrechte und moderne Scheidungsgesetze machen es möglich, und Männer wachen meist erst dann auf, wenn ihre bessere Hälfte die Koffer gepackt hat, um mit dem Zumba-Lehrer das Beckenbodentraining zu perfektionieren. Und sind dann entsetzt, wenn die Angetraute ihm nicht direkt ins Gesicht gesagt hat, dass sie unglücklich ist. Aber wer sagt denn, dass emanzipierte Frauen, denen das Verfallsdatum ihrer Fruchtbarkeit im Schoße lauert, reifer sind als Männer in der Midlife-Crisis? Wo steht geschrieben, dass die moderne Rollenverteilung die östrogene Front kommunikativer als ihre traditionell maulfaulen Konterparts macht? Auch Frauen haben ein Recht auf Schweigen!

Der Hafen der Ehe bedeutet nicht, dass man so lange vor Anker liegt, bis das Schiff marode wird und untergeht. Beziehungen und Ehen stehen im ständigen Wettbewerb und müssen sich immer wieder bewähren. Nichts ist von Ewigkeit, alles wird ständig neu bewertet, und Nachlässigkeit wird irgendwann bestraft. Die Konkurrenz schläft nicht! Ein aufmerksamer Kapitän achtet darauf, dass seine Fregatte in Schuss bleibt und keine Lecks bekommt. Aber vor allem hegt und pflegt er die Galionsfigur. Also Augen auf im Eheverlauf.