Emanzipation

von Dirk Ryssel

Kürzlich habe ich einen Film mit Hugh Grant gesehen, in dem er einen ehemals erfolgreichen Drehbuchautor spielte, der aus finanziellen Gründen einen Dozenten-Job in der Provinz annehmen muss. Als er bei einem Willkommensempfang von einer Kollegin auf die emanzipatorische Wirkung der Jane-Austen-Romane angesprochen wird, platzt dem inzwischen ziemlich angetrunkenen Neuling der Kragen: „Die Emanzipation geht mir auf den Sack!“, blafft er sie an und provoziert damit einen Skandal im Kollegium, zumal er sich mit seiner schlechten Laune auch im Folgenden nicht zurückhält.

Ich musste laut lachen und erntete dafür einen bösen Blick meiner Frau. Irgendwie konnte ich den Protagonisten gut verstehen, mich in seine Lage hineinversetzen. Er arbeitet in einer Branche, in der ihm von jungen Produzentinnen vorgeschrieben wird, was er wie zu schreiben habe. Ihm von eben jenen Austraggeberinnen nahe gelegt wird, über wen und welche Themen er erzählen solle, um wieder Erfolg zu haben: Nämlich über Supergirls und Super-Power-Actionfrauen.

Letzte Woche las ich selbst ein Drehbuch, in dem eine historische (männliche) Figur in eine emanzipierte Action-Pilotin umgewandelt wurde – im 19. Jahrhundert. Ich arbeite ebenfalls in einer Branche mit einem 80-prozentigen Frauenanteil. Deshalb bin ich auch für die Frauenquote, weil ich dann endlich eine Chance auf eine Festanstellung habe. Ohne Scherz: Mir hat meine Auftraggeberin und Chefin bereits vor Jahren offenbart, dass ich es einfacher hätte, einen Job zu bekommen, wenn ich eine Frau wäre. Der Grund: Frauen fühlten sich durch meine Kompetenz eingeschüchtert, Männer sähen in mir nur die Konkurrenz.

Seit 50 Jahren geht es – zumindest aus meiner Perspektive – in der medialen Wahrnehmung ausschließlich um Frauenrechte, -gefühle, -quote, -orgasmen etc. Unser Rollenverständnis, unsere Bedürfnisse, Träume, Sehnsüchte und Orgasmen  gehören hingegen entweder ins Fußballstadion oder in die Schmuddelecke, nicht aber in Talkshows, geschweige denn, ins Feuilleton. In den USA befasst sich immerhin noch die Forschung mit den Archetypen der männlichen Psyche und ihren Fehlleitungen in der modernen Gesellschaft. In Deutschland ist ein so hervorragendes Buch wie „König, Krieger, Magier, Liebhaber“ über Jahre vergriffen. Als seinerzeit die Familienministerin Kristina Schröder (2009-2013) forderte, man dürfe sich nicht nur um Frauen und Mädchen, sondern müsse sich auch mal wieder um Jungs insb. aus bildungsfernen Schichten kümmern, erntete sie einen Shitstorm und räumte nach der Wahl freiwillig ihr Ministeramt.

Eine früher mit mir befreundete Schriftstellerin hatte mal vor, ein Buch über Menstruation zu schreiben. Ich fand das klasse, ein Skandalthema. Meine damalige Freundin weniger. Charlotte Roche kam ihr dann quasi zuvor. Damals hingen in der Stadt überall Plakate, die zu den Vagina-Monologen einluden. Ich frage mich, ob wohl ein Buch über die männliche Pollution, ja, ich meine den ungewollten Samenerguss junger Erwachsener während der Schlafphase, einen Verlag fände. Oder über die Phimose. Im Studium ging es um die feministische Filmtheorie und mein unbedarfter Kommilitone fragte damals die Professorin, ob es denn auch die maskulinistische Filmtheorie gäbe, womit er einen Sturm der Entrüstung erntete. Ja, ich habe mich sogar mit der angeblich feministischen Pornografie beschäftigt und musste feststellen, dass es dort denselben olympischen Gruppensex gibt wie in der konventionellen.

Als ich noch zur Schule ging, brüllte Ina Deter ins Mikro: „Neue Männer braucht das Land“, aber den Text habe ich bis heute nicht verstanden. Seitdem wird immer wieder gefordert, welche Eigenschaften wir haben sollen: ob softer, verständnisvoller, hilfsbereiter, gesprächiger, zärtlicher oder einfühlsamer. Aber dann kommt ein Buch wie „Fifty Shades of Grey“  auf den Markt und plötzlich sehnt sich die andere Hälfte der Frauen wieder nach der männlichen Kraft und Dominanz. Nach Muskeln und Bärten. Neulich forderte eine Sozialforscherin in der Süddeutschen Zeitung mehr Hipster mit Baby-Tragetuch. Gern, wenn im Gegenzug die Frauen ihre Jobs im Stahlwerk und bei der Légion étrangère übernehmen. Geht’s eigentlich noch oberflächlicher? Fragt uns eigentlich mal jemand? Wir Männer müssen ständig unsere Rolle neu erfinden, um nicht als Primat, Sexist, Machtmensch, Weichei oder Softie zu gelten. Dabei wird völlig übersehen, dass diese Negativ-Beispiele nur Schattenkrieger eines falschen Männlichkeitsbewusstseins sind.

Liebe Frauen, hört bitte endlich mit der narzisstischen Selbstbezogenheit auf: Geht meinetwegen zu Krav Maga und lernt, wie ihr übergriffigen Schweinen in die Eier tretet oder in die Augen stecht. Setzt euch gegenüber Vorgesetzten durch, die einen unfähigen männlichen Kollegen bevorzugen. Und zwar durch Kompetenz und nicht durch Quote. Zeigt eure Fähigkeiten und wenn ihr Anspruch auf eine Gehaltserhöhung habt, dann setzt diese durch. Ich bin voll und ganz auf eurer Seite; und die Mehrzahl der gebildeten Männer wird dies auch sein: Nehmt euch, was euch gehört, aber hört endlich mit der Jammerei auf, dass man euch nicht die Spielzeuge gibt, die euch zustehen. Schon Jock Ewing aus der TV-Serie „Dallas“ sagte zu seinem Weichei-Sohn Bobby: „Macht bekommt man nicht! Macht nimmt man sich!“

Ich bin selbst als Kind und Jugendlicher jahrelang von einer Frau, meiner Mutter, missbraucht worden: Nein, sie hat mir nicht an den Pullermann gefasst. Ich musste nur als Zehnjähriger wahlweise ihren psychologischen, sexuellen und emotionalen Berater oder den verbündeten Ritter im Kampf gegen meinen Vater spielen. Und nur durch einen klugen Professor aus Freiburg habe ich vor ein paar Jahren erfahren, dass ich kein Einzelphänomen bin. Aber so what? Kann ich mich mein Leben lang darauf berufen, dass ich deshalb kein Vertrauen in meine Fähigkeiten und keine Eier habe, um mich durchzusetzen? Das Opfer-Gejammer kann ich ja selbst kaum ertragen. Es will keiner hören!

So, genug geschwafelt! Meine Frau kommt gleich von der Arbeit nach Hause: Ich muss noch den Abwasch und die Betten machen, die Wohnung staubsaugen und ihre Schuhe polieren! Damit ich später am Abend vielleicht die Beine breit machen darf…